Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, um 1910

Heinrich Strieffler

Herkunft und Familie

Heinrich Strieffler wird am 8. Juli 1872 in Neustadt an der Haardt geboren. Er ist das einzige Kind aus der Beziehung des Schlossermeisters Karl Gentzlinger mit Philippine Strieffler; die Eltern sind nicht verheiratet. 1873 stirbt der Vater, im Jahr darauf auch die Mutter, der verwaiste Knabe wächst bei seiner Großmutter mütterlicherseits auf. Nach deren Tod (1886) kommt er in die Obhut zweier Brüder seiner Mutter, Fritz und Peter Strieffler. Er besucht die Volksschule und absolviert danach eine Lehre als Lithograph in der Lithographischen Anstalt Karl Darstein in Neustadt, nach deren Abschluss er 1889 als Geselle auf Wander­schaft geht. Über Frankfurt am Main, Leipzig und Böhmen gelangt er im Oktober 1891 nach München.

Studienjahre in München

Unmittelbar nach seiner Ankunft in der Residenzstadt München nimmt Heinrich Strieffler das Studium an der Königlichen Kunstgewerbeschule auf­. Zu seinen Lehrern ge­hören Theodor Spieß (1846–1920), Franz Wid­mann (1846–1910) und Ludwig von Langen­mantel (1854–1922). Zum Wintersemester 1893 wechselt er an die Akademie der Bildenden Künste, wo er u. a. die Zeichenklasse bei Gabriel von Hackl (1843–1926) und Johann Leonhard (von) Raab (1825–1899) sowie die Mal­klasse bei Franz von Stuck (1863–1928) besucht. Später bewirbt er sich erfolgreich um Aufnahme in die neu ge­gründete Malklasse von Paul Hoecker (1854–1910), der im Stil der Impressionisten und in der Tradition der Pleinairmalerei unterrichtet. Zu seinen studentischen Wegbegleitern gehören Angelo Jank (1868–1940) und Leo Putz (1869–1940), die sich 1899 der Künstlergemeinschaft „Die Scholle“ an­schließen, sowie Eugen Spiro (1874–1972), später Mit­arbeiter der Zeitschrift „Simplicis­simus“, und Bruno Paul (1874–1968), 1907 Mitbegründer des Deutschen Werk­bundes.
Darüber hinaus besucht Heinrich Strieffler Vorlesungen zur Anatomie und zur Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität. Vor allem der Kultur­histori­ker Wilhelm Hein­rich von Riehl (1823–1897) beeinflusst den jungen Künstler nachhaltig mit seinen Publikationen zur Volks­kunde, darunter die 1857 veröffentlichte kulturge­schicht­liche Dar­stellung über „Die Pfälzer“.

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, 1899

Studienjahre in Italien

Auf Empfehlung seines Lehrers Franz von Stuck erhält Heinrich Strieffler zum Abschluss seines Studiums ein Reisestipendium der Henry-Hilgard-Stiftung. Diese hat schon seine künstlerische Aus­bildung an der Kunst­gewerbe­schule und an der Akademie unterstützt und ermöglicht ihm nun einen Studien­aufenthalt in Italien. Im Februar 1898 macht er sich auf den Weg über Mailand, Turin, Genua, Pisa und Florenz nach Rom, wo er Ende des Jahres eintrifft.
In den großen Gemäldesammlungen kopiert Strieffler im Auftrag der Stiftung alte Meister, in Rom unterhält er ein eigenes Atelier und fertigt für Pilger und Touristen Porträts und andere Auftragsarbeiten an. Gleichzeitig setzt er sich mit der zeitgenössischen italie­nischen Malerei auseinander, sein besonders Inter­esse gilt dabei Giovanni Segantini (1858–1899) und den Künstlern in der Tradition der „Scuola di Posillipo“. Über seine Beobachtungen und Erlebnisse, seine Begegnungen mit Land und Leuten berichtet er ausführlich in Briefen an Freunde in der Pfalz, die als Reiseberichte in der pfälzischen Presse veröffentlicht werden. Im Herbst 1900 tritt Heinrich Strieffler über Verona, Venedig und München die Rückreise an; rückblickend spricht er begeistert von seinen am „fremden guten Volkstum und schönen Land­schaften geschulten Augen“.

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, undatiert

Rückkehr in die Pfalz

Heinrich Striefflers bevorzugtes Interesse gilt volkstümlichen Traditionen, gerade auch in seiner pfälzischen Heimat. Schon vor seiner Italien­reise sind die ersten Pfälzer Winzer­bilder entstanden, die der Künstler selbst als „pfälzische[n] impressio­nistische[n] Heimat­bilder[n]“ be­schreibt. Themen und Motive aus dem Leben und Alltag der Pfälzer, der Winzer im Besonderen, greift er nach seiner Rückkehr wieder auf. Eine zweite Studienreise führt ihn 1902 für drei Monate in die Niederlande, wo er die Werke der großen Niederländer – Rembrandt und Frans Hals – studiert, aber auch Leben und Arbeiten der „sonstigen Niederländer“.
Zunächst lässt Heinrich Strieffler sich 1901 in Neu­stadt nieder, später wohnt er kurzzeitig in Lachen, dann in Edenkoben. 1904 übersiedelt er schließlich nach Landau, das sich in jenen Jahren von der Festungs­stadt zu einem aufstrebenden Zentrum für Wirtschaft und Handel in der Region entwickelt. Der wirtschaftliche Erfolg lässt für Strieffler jedoch noch auf sich warten. Der Verkauf seiner vom Impressionismus inspirierten Ölbilder bleibt hinter seinen Erwartungen zurück, allerdings erfreuen sich seine Litho­graphien zunehmender Beliebt­heit. Schnell finden seine Motive aus dem Pfälzer Winzeralltag als Postkarten bzw. Postkartenserien („Rheinpfalz­wein“) und als Plakate („Schützenliesel“, 1902) über­regionale Verbreitung und machen den Künstler einem größeren Publikum bekannt. 1910 veröffent­licht er unter dem Titel „Pfälzer Wein von der Rebe bis zum Glase“ einen Bildband mit Lithographien und eigenen Texten, der seinen Ruf als der „zeichnende Chronist des pfälzischen Weinbaus“ festigt. Dazu tragen auch seine Illustrationen in Publikationen pfälzischer Autoren (Carl Ney, Oskar Schmitt, August Zahn) bei.
Über seine eigene künstlerische Tätigkeit hinaus ist Heinrich Strieffler stets ein engagierter Verfechter der Interessen pfäl­zischer Künstler. 1909 gehört er zu den Gründungsmitgliedern der „Vereinigung Pfälzer Künstler und Künstlerinnen“, einer sezes­sionistischen Gruppierung, die sich vor allem der Förderung der regionalen Kunst und ihrer Künstler verschrieben hat.

Hochzeitsfoto 1912

Heinrich Strieffler

Künstler, Unternehmer, Erfinder, Familienvater

1912 findet der Künstler sein privates Glück, er heiratet die aus dem lothringi­schen Avricourt stammende, in Lachen wohnhafte Ida Maria Salm (1885–1959). Mit seiner jungen Frau bezieht er eine Wohnung im Ostring, wo 1917 das einzige Kind des Paares, die Tochter Marie, zur Welt kommt.
Den Kriegsbeginn 1914 dokumentiert Heinrich Strieffler fotografisch mit zahlreichen Aufnahmen aus der Garnisonsstadt Landau, zu einer Dienstver­pflichtung des mittlerweile in den 40ern stehenden Künst­lers kommt es aber nicht. Auf der Grundlage seiner Fotografien gestaltet er im Herbst 1914 erste Lithografien, von denen er nach und nach eine Postkartenserie drucken lässt. Mit ihnen im Gepäck reist Strieffler bis 1917 als Handelsvertreter in eigener Sache mehrfach quer durch Deutsch­land, sammelt Bestellungen von Händlern und Privatkun­den. Die Karten sind in den ersten Kriegsjahren sehr gefragt und bringen sichere Einnahmen in unsicheren Zeiten. Während Strieffler auf Reisen ist, kümmert sich seine Frau in Landau um Lager­haltung, Versand und Buchführung. Ein um­fangreicher Briefwechsel aus dieser Zeit dokumentiert das gut organisierte unternehmerische Vorgehen des Paares und gibt zugleich Aufschluss darüber, wie selbstverständ­lich Heinrich Strieffler künstlerische und kaufmännische Interessen miteinander verbindet.

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, um 1910

Heinrich Strieffler und Max Slevogt

Ins Jahr 1917 datiert die Bekanntschaft mit Max Slevogt (1868 – 1932). Dieser hatte 1914 das Anwesen Neukastel oberhalb von Leinsweiler erworben und zu seinem sommerlichen Domizil ausgebaut. Im Herbst 1917 beschließt er, nicht nach Berlin zurückzukehren, sondern das Kriegsende mit seiner Familie auf Neukastel abzuwarten. Aus dem Wunsch wird ein Zwangsaufenthalt, als die französische Besatzung ihm nach Kriegsende die Rückkehr nach Berlin unter­sagt. Der Kontakt zu dem versierten Lithografen Strieffler kommt ihm gelegen. In ihm findet er abseits der Kunstmetropole Berlin ganz unerwartet einen Gesprächs­partner, mit dem er technische Fragen in Zusammenhang mit seinen druckgrafischen Arbeiten klären kann.

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, um 1928

Umzug in die Löhlstraße

1923 erwirbt Heinrich Strieffler ein Grundstück in der Gemarkung „Im Löhl“, wo nach Plänen des Landauer Architekten Fritz Kindler 1925 ein „Wohnhaus und Atelierhaus mit Maleratelier, Steindruckerei und Kupferdruckwerkstätte“ entsteht, das heutige Strieffler Haus der Künste.
In den 1920er und 1930er Jahren beteiligt Strieffler sich an vielen Ausstellungen, trotzdem ist seine wirtschaftliche Lage zeitweise angespannt. Dies zeigt ein Zitat aus einem Landauer Stadtratsbericht, wo unter Bezug auf seinen Grundstückskauf fest­gehalten ist, “daß die Bezahlung ge­gebenenfalls auch durch zusagende Bilder ausgeglichen werden kann.“ Heinrich Strieffler, der sich neben der Kunst für die Technik begeistert, versucht, die wirtschaftliche Situation der Familie mit Erfindungen zu verbessern. Insgesamt meldet er zwei Dutzend Patente an, allerdings ohne damit jemals die erhofften Gewinne zu erzielen.

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler

Die letzten Jahre

In den 30er Jahren bessert sich die Situation, wohl auch weil er in Theodor Zink (1871–1934), dem Konservator der Landesgewerbeanstalt in Kaiserslautern, einen Freund und Förderer gefunden hat. Dieser plant ein Museum zur Landes- und Stadtgeschichte und erwirbt dafür einige Arbeiten von Heinrich Strieffler. Der plötzliche Tod Zinks 1934 verzögert die Eröffnung des Museums, auch wird die Konzeption den ideologischen Vorgaben der neuen Machthaber angepasst. Striefflers Darstellungen aus dem Alltag pfälzischer Winzer werden dann ab 1935 im neuen Museum für Volkskunde unter diesen Vorzeichen präsentiert.
In seinen letzten Lebensjahren fördert der Künstler nach Kräften die künstlerische Ausbildung seiner Tochter Marie, die – dem Vorbild des Vaters folgend – in München studiert. Heinrich Strieffler stirbt am 26. Dezember 1949 und wird wenige Tage später auf dem Landauer Friedhof beigesetzt.