Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, 1946

Marie Strieffler

Marie Strieffler wird am 8. Mai 1917 als Tochter des Malers, Graphikers und Erfinders Heinrich Strieffler und seiner Ehefrau Ida Maria Strieffler, geborene Salm, in Landau geboren. Ermutigt und gefördert vom Vater greift Marie schon früh selbst zu Stift und Zeichenblock. Mit 4 Jahren beginnt sie zu zeichnen, Fotografien zeigen sie Ende der 1920er Jahre beim Arbeiten in freier Natur. Im Dezember 1929 gestaltet die Zwölfjährige ihre erste Glückwunschkarte zu Neujahr – eine Gepflogenheit, die sie bis zu ihrem Tode beibehalten wird.
1924 bis 1928 besucht sie die „Städtische Höhere Töchterschule“ in Landau, anschließend das Humanistische Gymnasium (heute: Eduard-Spranger-Gymnasium). Im März 1936 legt Marie erfolgreich die Prüfungen zum Abitur ab, das Foto des Abschlussjahrgangs von 1936 zeigt sie als einzige Schülerin inmitten von 25 männlichen Absolventen

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, Sommer 1938

Künstlerische Ausbildung

Im Herbst 1936 nimmt Marie Strieffler das Studium an der „Staatsschule für angewandte Kunst“ in München auf, wo schon ihr Vater seine künstlerische Ausbildung begonnen hatte. Im Laufe des ersten Jahres wächst bei ihr jedoch die Begeisterung für die freie künstlerische Arbeit. Von April bis September 1937 leistet die Studentin in Kehl-Sundheim ihren Pflichteinsatz im Rahmen des Reichsarbeitsdienstes ab. Damit erfüllt sie die Bedingung für ein Studium an einer Universität und kann an die Münchner Akademie der Bildenden Künste wechseln. Sie besucht dort zuerst die Malklasse von Julius Diez, später die Mal- und Kompositionsklasse von Hermann Kaspar (Regensburg, 1904 – 1986, München).
Zu Maries Lehrern gehört auch Franz Xaver Stahl (1901-1977), der von 1922 bis 1927 bei Heinrich von Zügel studiert hat und 1941 Nachfolger von Angelo Jank als Leiter der Klasse für Tiermalerei an der Akademie wird. Am 15. April 1940 besteht sie die Aufnahmeprüfung für die Radierklasse bei Professor Adolf Schinnerer (1876-1949). Damit erfüllt sich für sie ein lang gehegter Wunsch: „..., schon von jeher hatte ich mir in den Kopf gesetzt, Vaters Handwerk zu erlernen, das heißt das Rad unserer Handsteindruckpresse in Schwung zu halten. Denn der Geruch von Fettkreide, Ter­pentin und Ätzsäure blieb für mich das faszinierendste Parfüm, und die Stunden, die wir an der Presse schwer arbeitend verbrachten, waren für Mutter und mich Höhe­punkte unseres auch sonst recht glücklichen Familienlebens. Fühlten wir uns doch gerade vor der Presse Vater am nächsten und unentbehrlichsten“.

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, um 1945

Studienreisen im Schatten des Krieges

In den Jahren 1939 bis 1942 meldet sich Marie Strieffler regelmäßig zum „studentischen Arbeitseinsatz“ als Erntehelferin im Osten. Sie nutzt diese Aufenthalte zu Studien über das Leben der pfälzischen Auswanderer, die einst aus Deutschland ins zaristische Russland zogen und nun in Folge des Hitler-Stalin-Paktes zwangsumgesiedelt werden. Ihre Beobachtungen hält sie in Skizzen, Zeichnungen und Aquarellstudien fest, nach denen sie vor allem Radierungen anfertigt. Sie wird als erfolgversprechende Nachwuchskünstlerin geschätzt und im Sommer 1943 zu einer „Künstlerfahrt durch deutsche Siedlungsgebiete im Generalgouver­nement“ eingeladen. Zur Gruppe der teilnehmenden Künstler gehören neben der jungen Studentin anerkannte Maler wie Adolf Doerner (1892 – 1962), Hermann Croissant (1897 – 1981), Rolf Müller-Landau (1903 – 1956), Walther Perron (1895 – 1970) und Ludwig Schreieck (1911 – 1944).
Die zunehmenden Bombenangriffe, die weitgehende Zerstörung der Hochschule und ihres Ateliers im Juli 1944 und letztendlich die Schließung aller Akademien im Deutschen Reich im Oktober desselben Jahres machen eine Fortsetzung des Studiums in München unmöglich. Marie Strieffler bleibt nur die Rückkehr nach Landau und arbeitet bis zu dessen Tod im Atelier des Vaters, der bestrebt ist, ihr „die alte Münchener Maltradition zu übermitteln.“

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, 1950er

Die 1950er Jahre

Am 26. Dezember 1949 stirbt Heinrich Strieffler. Marie Strieffler schließt sich Künstlern an, die dem Vater in Formensprache, bevorzugten Bildthemen und Motiven verwandt sind. Zwischen 1950 und 1954 arbeitet sie mit dem Haueisen-Schüler August Kutterer (1898 – 1954) in dessen Atelier in Karlsruhe-Daxlanden, ab 1959 beteiligt sie sich an der Wörther Sommerschule von Max Bergmann (1884 – 1955), einem Meisterschüler von Heinrich Zügel.
Die Nachkriegsjahre sind gezeichnet von wirtschaftlichen Schwierigkeiten: öffentliche Ankäufe werden kaum getätigt, private Sammler sind zurückhaltend, vorhandene Ressourcen fließen in den Wiederaufbau. Zudem entspricht Maries figurative Auffassung nicht dem Zeitgeschmack. Letztlich sichert sie ihren Lebensunterhalt durch Illustrationen für Kalender, Bücher (auch Schulbücher), Zeitungen und Zeitschriften. Ab Mitte der 1950er Jahre übernimmt sie darüber hinaus baugestalterische Aufgaben, sie entwirft Wandbilder und Skulpturen vor allem für öffentliche Bauten in der Region. Erst 1957, im Anschluss an einen Aufenthalt in Paris, kann sie zum ersten Mal seit 1941 ihre Arbeiten wieder einer größeren Öffentlichkeit zeigen, sie beteiligt sich an einer Ausstellung Pfälzer Künstler im Neustadter Saalbau.

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, 1954

Studienreisen in den Süden

Ganz im Zeitgeist der 1950er Jahren erwacht auch bei Marie Strieffler in diesen Jahren wieder die Reiselust. Zusammen mit Ludwig Doerfler (1905 – 1992), einem Freund und Kollegen aus ihrer Münchner Zeit, unternimmt sie ab 1954 regelmäßig Studienfahrten bevorzugt in den Süden. Gemeinsam bereisen sie Italien, Frankreich und Spanien, sie besuchen Rom, Paris und Salzburg.
Im September 1959 stirbt die Mutter, Ida Strieffler. In ihren Erinnerungen von 1966 schildert Marie, dass sie in dieser Situation „heftig vom Fernweh befallen“ wird. Zugleich sieht sie die Möglichkeit, diesem Fernweh ohne familiäre Rücksichten nachzugeben und an frühere Themen und Aufgaben wieder anzuknüpfen.

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, 1961

Reisen in Nordamerika

Am 28. April 1960 bricht die Künstlerin zu ihrer großen Reise auf, achtzehn Monate wird sie in den USA und Kanada verbringen, um Leben und Kultur ausgewanderter Pfälzer kennen zu lernen. Ihre Beobachtungen und Erlebnisse schreibt sie in Reportagen nieder, die in der pfälzischen Tagespresse und nach ihrer Rückkehr als Reisetagebuch unter dem Titel „Auf den Völkerstraßen von Nordamerika“ veröffentlicht werden.
Schon im Vorfeld ihrer Überfahrt nach Nordamerika bemüht sich Marie um Honoraraufträge, denn sie hat kaum finanzielle Reserven und weiß nicht, was sie jenseits des Atlantiks erwartet. Bei aller Begeisterung über ihre Begegnungen mit Mennoniten, Hutterern, Inuit und Indianern finden sich in ihren Reiseberichten auch Hinweise darauf, dass ihre Lebenssituation in Nordamerika oft prekär ist. Sie verdingt sich als Dienstmädchen oder Hilfsarbeiterin in einer Gummistiefelfabrik, nur vereinzelt kann sie künstlerische Arbeiten verkaufen oder Artikel in Lokalzeitungen veröffentlichen. Am 12. Oktober 1961 kehrt Marie Strieffler aus Nordamerika zurück. Ein Jahr später erhält sie die Gelegenheit, die in Nordamerika entstandenen Zeichnungen, Aquarelle und Studien in einer Einzelausstellung im Karl-Otto-Braun-Museum in Ludwigshafen-Oppau zu zeigen.
 

Fotografie aus dem Nachlass Strieffler, 1980er

Die späten Jahre

Marie Strieffler und Philippe Steinmetz

Im Juli 1966 begegnet Marie Strieffler beim Besuch einer deutsch-französischen Ausstellung dem elsässischen Künstler und Kunstpädagogen Philippe Steinmetz (1900 – 1987) aus Bischwiller (Elsass). Aus diesem Treffen entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft. Zwanzig Jahre lang pflegt das Paar einen intensiven künstlerischen Austausch, unternimmt zahlreiche gemeinsame Reisen vor allem durch Frankreich (Flandern, Normandie u. a.) und führt in Landau ein offenes, gastfreundliches Haus.
Nach ihrer Rückkehr aus Amerika engagiert sich Marie Strieffler auch verstärkt in der Kunstszene der Region – als Gildemeisterin bei der Südpfälzischen Kunstgilde Bad Bergzabern (1974) und als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Künstler (APK). Sie wird Ehrenmitglied der Gesellschaft der Zügelfreunde und positioniert sich als engagierte Verfechterin der figurativen Kunst. Sie gilt als gradlinig und direkt, ergreift couragiert, zuweilen streitlustig Partei für ihre Auffassung der Kunst und die Kunst an sich wie auch für die eigene Person und die Interessen der Künstler im Allgemeinen. Den Menschen in der Region prägt sie sich durch ihr künstlerisches Schaffen ein; ihre Zeichnungen – zahlreiche Dorf- und Stadtansichten, Impressionen von Volksfesten und Darstellungen pfälzischen Brauchtums – und ihre Landschaftsbilder erfreuen sich zu ihrer Zeit großer Beliebtheit.
Am 20. Januar 1987 stirbt Marie Strieffler nach langer Krankheit, nur vier Monate später stirbt auch ihr Lebensgefährte Philippe Steinmetz. Das Wohn- und Atelierhaus in der Löhlstraße vermacht die Künstlerin der Stadt Landau, verbunden mit der Aufgabe, das künstlerische Andenken an ihren Vater Heinrich Strieffler zu pflegen und zu bewahren. Es ist bis heute für die Öffentlichkeit als Museum und Galerie zugänglich.